Dienstag, 26. Mai 2015

Grundlagen

Es heißt ja gern, Menschen sollen da abgeholt werden wo sie stehen. Bei manchen heißt das sie aus dem Bett zu hieven und auf dem Rücken dahin zu tragen, wo sie hin sollen, während sie sich an allem fest klammern, das sie unterwegs in die Finger bekommen und dabei kratzen und beißen. So ein bisschen fühlt es sich für mich jedenfalls oft an, wenn ich versuche über Fat Acceptance zu reden und diese Erfahrung teilen auch die meisten meiner Mitstreiter*innen.

Ich glaube ja grundsätzlich an das Gute im Menschen und den durchaus vorhandenen Willen andere nicht zu verletzen und zu diskriminieren. Also zumindest bei den meisten. Sagen wir ich möchte gern daran glauben, dass die Leute einfach verblendet sind von dem was sie täglich vorgekaut bekommen und einfach noch nicht gemerkt haben, dass darunter auch ziemlich viel Quatsch ist.

Bereits vor zwei Jahren habe ich meine FAtQ geschrieben, weil du als dicker und nicht abnehmwilliger Mensch irgendwann einfach alle nervtötenden Kommentare tausend Mal gehört hast und es müßig wird immer wieder dieselben Antworten zu geben. Auch die Mädchenmannschaft hat dazu bereits ausführlich geschrieben. Aber (und dieser Satz könnte nicht perfekter beginnen) trotz all der Mühe, die sich Aktivist*innen geben, kommen immer die "Aber"-Sager. "Aber es ist doch ungesund", "aber das ist doch nicht schön, "aber in 10 Jahren wirst du darüber ganz anders denken, wenn du erst XY hast". Egal wie viele Beispiele du bringst, sie klammern sich an ihrem Aber fest, als ginge es um ihr Leben. Und das genau ist nämlich der Knackpunkt - es geht nicht um euer Leben, sondern um das der dicken Menschen, die selbst bestimmt leben wollen.

Ich musste die Tage lesen, Fat Acceptance würde ja alles verdammen, was beim Abnehmen hilft. Nun zum einen ist es tatsächlich so, dass Diäten in den allermeisten Fällen nicht langfristig wirken, zum anderen übersieht das einen wichtigen Faktor. Die meisten dicken Menschen haben viele Jahre erfolglose Diäterfahrungen hinter sich, die oft schon im Kindesalter beginnen. Es wird penibel darauf geachtet, was und wie viel die Kinder essen, das erste Fatshaming erfahren sie oft bereits von den Eltern oder nahe stehenden Verwandten. Das ist tägliche Bevormundung, tägliches "du bist nicht in Ordnung so wie du bist, du hast keine Deutungshoheit über deinen Körper".
Ihr sagt Fat Acceptance verteufelt Diäten, ich sage sie gibt den Menschen eine Alternative zum Abnehm- und Schlankheitszwang überall sonst und unterstützt sie dabei sich zu akzeptieren wie sie sind. Das wollen viele Menschen natürlich nicht hören, weil sie einfach so an das normative Schlanksein gewöhnt sind. Klar, im Fernsehen sind alle schlank, in Magazinen, Werbung, Filmen - da stören die Fettis. Das wird natürlich meist nicht so offen kommunziert und als Sorge um Gesundheit und Krankenkassenhaushalte getarnt. Deswegen gibt es ja auch so viele Memes mit sehr dicken Menschen, wo Fat Acceptance ins Lächerliche gezogen wird, weil sie auch für diese Menschen Respekt und Menschenwürde einfordert und das kann ja schließlich nicht sein, weil guck doch mal, igitt.

Es ist nicht so, dass Fat Acceptance bedeutet, das grundsätzlich niemand Gewicht verlieren oder das Bedürfnis danach haben darf. Im Gegenteil, dieses unbedingte vorschreiben wollen, wie andere mit ihrem Körper zu verfahren haben kenne ich nur von der "anderen Seite". Da wird sich angemaßt zu entscheiden, wer gesund ist und wer nicht. Jegliche Entscheidung den eigenen Körper betreffend wird angezweifelt, abgesprochen und ins Lächerliche gezogen. Fettaktivismus tut genau das Gegenteil, er bestärkt dicke und fette Menschen darin ihre eigenen Entscheidungen für sich und ihren Körper zu treffen. Er gibt uns unsere Deutungshoheit zurück. Ich verstehe nicht, wie das etwas sein kann, das abgelehnt wird. Die einzige Begründung sind Vorurteile und (ja, ich beharre auf diesem Wort) Hass.

Ihr könnt euch da für noch so aufgeklärt halten und meinetwegen sogar reißerische Bücher über das Thema schreiben, das ändert nichts daran, dass euch das nicht zusteht. Auch nicht wenn ihr selbst dick seid oder wart. Eure Bevormundung und eure Geringschätzung tragen zu einem verletztenden und beschämenden Klima bei, das Menschen psychisch und auch physisch schadet, wenn sie z.B. Essstörungen oder anderes selbst verletzendes Verhalten entwickeln, oder sich nicht trauen zum Arzt zu gehen, weil sie (berechtigte!) Angst haben dort nur auf ihr Gewicht reduziert zu werden, ohne dass wirklich nach der Ursache ihres Leiden gesucht wird.

Ein Rat der sehr gern gegeben wird ist, sich ein dickes Fell wachsen zu lassen, da doch drüber zu stehen. Wie wäre es denn mal umgekehrt? Lasst euer übergriffiges Verhalten einfach sein. Dicke Menschen wissen in der Regel dass sie dick sind. Sie haben viele viele viele "schlaue" Tipps bekommen, wie sie "ganz einfach" abnehmen können. Sie wissen, was von ihnen erwartet wird und welchem Ideal sie sich doch bitte auch annähern sollen. Ihr habt da keine neuen Einsichten zu bieten und eure ungefragte Meinung ist schlichtweg irrelevant.
Was? Wenn die eigene Meinung als irrelevant gewertet wird ist das nicht schön? Ratet mal wie schön das erst ist, wenn es darum geht, wie das eigene Leben zu führen ist.

Freitag, 22. Mai 2015

Ich fress' euren Dreck nicht, ich kotz' ihn euch vor die Füße!

Wie der Titel es bereits andeutet, bin ich sauer. Sehr. So liest sich dann auch dieser Text. Die meisten Links dienen als Grundlage und ich empfehle ihre Lektüre nur sehr bedingt. Teilweise sehr eklige Dickenfeindlichkeit. [CW] Im vorletzten Absatz, Erwähnung von Mobbing und Suizid. 

Es ist ja so, als dicke Frau, die sich weigert sich verschämt ganz unten in die Hierarchie von Körpern und Schönheit einzuordnen, die kein Interesse daran hat ihr Gewicht zu reduzieren, die sich nicht verstecken will, da passe ich einigen Leuten nicht in den Kram. Was fällt der Dicken ein? Hat sie das Memo nicht gekriegt? Doch hat sie. Jeden verdammten Tag immer wieder aufs Neue. Die Welt dreht sich quasi darum, dass dicke Menschen weniger werden sollen. Über sie können Witze gemacht werden, sie können beleidigt werden, in Schubladen gesteckt, ihr Gesundheitszustand ist öffentliche Debatte.

Dick ist doch schließlich krank, nicht wahr? Wissen wir doch alle. Sagen uns doch die Medien, die Werbung, die Forschung. Diabetesrisiko so und so viel erhöht. Mensch und die Knochen... Das kann doch nicht gut sein. Müssen wir ja alle zahlen. Scheiß fette Leute. Und dann sehen die auch noch so gar nicht perfekt aus. Tu ich zwar auch nicht, aber hey, immerhin quäle ich mich jeden Tag dafür, geht doch nicht, dass die sich einfach ohne das gut fühlen, gleich mal runter machen. Und jetzt denken die sich auch noch Fat Acceptance aus, nee das geht nun wirklich nicht. Gleich mal ausführlich aufdröseln warum das Unsinn ist. Dicke sind natürlich krank. Nicht alle. Aber generell schon. Doch sicher die meisten. Ja. ... Aber hey, ich hab doch gesagt, es sind nicht alle krank. Da ganz klein, seht ihr? Aber trotzdem ist es einfach un-ge-sund. Punkt. Das ist nun mal so. Alles andere ist nur die falsche Logik von faulen Fetten, die reden sich was ein. ICH weiß es besser. Ich hab abgenommen. Ich mach seit 2 Wochen Diät und alle sagen wie toll ich aussehe, also hab ich recht. Die können ja nur Studien verdrehen und dann erzählen sie noch die wären alle von der Diätindustrie finanziert, die machen sich doch was vor. Gleich mal einen Blogpost verfassen. ICH fühle mich ja schließlich unwohl, also breite ich das gaaaanz ausführlich aus, mit Formulierungen, die euch zeigen, wie eklig Übergewicht ist, bäh. Wenn ihr mich dann kritisiert, dann beklage ich mich fürchterlich, weil ihr mir ja vorschreiben wollt, was ich mit meinem Körper zu machen habe. Nicht umgekehrt. Neehee, ich darf euch sagen wie ungesund ihr seid und dass Fat Acceptance unnützer Mist ist, ich schreibe euch ja damit nichts vor, ich sage ja nur wie es ist.

Whoa, da ging es glatt mit mir durch. Ganz ernsthaft. Mein Problem mit der aktuellen "Debatte" ist ein ganz einfaches: Menschen, die sich selbst nicht mögen und abnehmen wollen, Menschen, die keine Ahnung haben und Menschen, die sich mehr oder weniger trauen zu sagen, dass sie ein Problem mit dicken Menschen haben, schreiben über Fat Acceptance. Das wäre ja an sich in Ordnung, wenn dabei eine sachliche Analyse von Aspekten der FA heraus käme. Was tatsächlich dabei herum kommt, sind reproduzierte Dickenfeindlichkeit, Stereotype, Vorurteile und viele eklige Menschen die begeistert Beifall klatschen, weil es den Fetten, die sich weigern klein bei zu geben, endlich mal wer zeigt. Wo doch die Medien eh schon alle auf Seiten der Dicken sind und nebenbei wird behauptet Fat Acceptance würde dünne Körper abwerten. Das ist keine Diskussion, das ist keine Analyse, das sind widergekäute Vorurteile und Dickenhass. Ja HASS. Dicke Menschen sehen sich täglich Hass ausgesetzt, wer so tut als stimme das nicht, will lieber nicht so genau hin schauen.

Mir wurde heute vorgeworfen, ich würde nur schwarz-weiß sehen und ja, in einem Punkt sehe ich nur schwarz-weiß. Wer meinen Aktivismus klein redet, wer meint er wäre nur Selbstbetrug, der hat von mir kein Vetständnis zu erwarten. Diplomatie hört da auf, wo ich meine Grundrechte und die aller anderen dicken und fetten Menschen nicht mehr verteidigen soll. Fat Acceptance ist keine fancy Modeerscheinung, sie ist wichtig, sie ist für mich sogar überlebenswichtig. Ja, das klingt dramatisch, aber ich wurde aufgrund meiner Figur schon sehr gemobbt, ich hatte praktisch keine Jugend deswegen, weil ich die meiste Zeit damit verbrachte Angst zu haben vor der nächsten Attacke. Weil ich bis kurz vor den Suizid gebracht wurde, von Menschen, die meinten dass ich das alles verdiene, weil ich dick war. JA, ich habe ein Problem damit, wenn Menschen Fat Acceptance ablehnen, weil sie damit nicht bei mir sind. Sie sind nicht auf meiner Seite. Klingt albern mit den Seiten? Nun, ich hab die Linie nicht gezogen, ich verteidige mich nur, meine nackte Existenz, die von allen Seiten angezweifelt wird. Fat Acceptance ist meine Rüstung und mein Schwert um mich zu wehren. Meint ihr euer Fat Shaming wäre gesund? Meint ihr, wenn ihr euren Ekel ausdrückt ist das gesund? Das verletzt Menschen, das schadet ihrer Psyche. Aber eigentlich sind euch die dicken Menschen auch egal, nicht wahr? Wenn sie vernünftig wären, würden sie ja schließlich ordentlich Diät halten und abnehmen und euch zustimmen. But let me tell you something:

Es geht euch nichts an, ob Dicke gesund sind, oder nicht, genauso wie es euch bei allen anderen nichts angeht. Ihr habt nicht das Recht, Menschen zu bevormunden, weil sie ein angeblich ungesundes Leben führen, während ihr selbst so tut, als wäre euch verboten worden Gewicht zu verlieren, wenn ihr das wollt. Das ist nicht wofür Fat Acceptance steht. Aber auch das ist euch ehrlich gesagt auch völlig egal, nicht wahr? Hauptsache drauf dreschen und Kritik völlig verdrehen und jammern, dass sich die "ollen hysterischen Kühe" wieder aufregen, nur weil ihr eine andere Meinung habt. Wenn eine "Meinung" diskriminiert oder Diskriminierung reproduziert ist sie eben keine einfache Meinung mehr sondern - Überraschung - Diskriminierung.

Klopft euch auf die Schultern wie ihr wollt, zieht die Fat Acceptance ins Lächerliche, macht sie schlecht, verbreitet euren Hass - wir gehen trotzdem nicht weg. If you're not with us, you can kiss my fat ass.